Alles runter geschmissen

Ich bin ja, wie bereits irgendwann erwähnt, überwiegend im Beauty-Bereich tätig. Selbst und ständig kümmere ich mich zu einem guten Teil um die Füße meiner Kunden. Heute morgen stand also der Termin von Frau K. auf dem Plan. Frau K. ist unruhig und zappelig, ich war also auf fast alles gefasst.

Frau K. nahm Platz und fing schon an zu erzählen, während ich mit der Behandlung begann. Nach kurzer Zeit griff sie sich eine Zeitschrift um zu lesen und kommentierte jeden Artikel ausführlich. Viel ausführlicher, als sie ihn zu lesen schien, denn alle paar Augenblicke legte sie die Zeitschrift mit Schwung auf ihren Oberschenkeln ab, um mit einer ausholenden Bewegung die Seiten umzublättern. In der Gegenbewegung zuckten die Füße zunächst nach oben, um dann eine dem Umblättern gegenläufige Seitenbewegung zu vollführen. Das erste Umblättern erwischte mich unvorbereitet: Zack, mit Schwung flogen die Füßen in die Höhe und das Doppelinstrument, mit dem ich gerade den Nagelfalz inspizierte landete auf dem Boden. Ich schaute dem Instrument verdutzt hinterher, schob es dann zur Seite und holte ein neues, sauberes Instrument aus dem Schrank. Bei den nächsten Umblätter-Aktionen habe ich den Fuß dann gut festgehalten. Zwischen zwei Zehen fand sich ein schmerzhaftes Hühnerauge, das ich mit einem Skalpell vorsichtig (unblutig und schmerzfrei, übrigens, keine Sorge!) zu beseitigen versuchte. Das ist ziemlich heikel, man muss sehr vorsichtig mit dem extrem scharfen Messer sein und kann den Fuß dabei nicht so extrem fest halten. Ich bat die Kundin also, kurz ganz still zu halten. Sie stimmte zu, guckte interessiert, und gerade, als ich den Skalpell an der kniffeligsten Stelle ansetzte, greift sie zur Seite zu ihrem Wasserglas, wobei der gesamte Oberkörper der recht kleinen Kundin sich zur linken Seite neigte und der Fuß mit einem unkontrollierten Zucken nach links abklappte. Um die Kundin nicht zu verletzten zog ich die Hand mit dem Skalpell ruckartig zurück, wurde aber am Handgelenk noch vom Fuß der Kundin erwischt. Das Skalpell flog im hohen Bogen durch die Luft, landete mit deutlichem Klirren auf den Fliesen, wo die Klinge in mehrere Einzelteile zersprang. Ich schob die scharfen Buchstücke zur späteren vollständigen Beseitigung mit dem Besen zur Seite und beschloss, mit dem Fräser weiter zu arbeiten. Dafür habe ich den Aufsatz in das Handstück des Fußpflegegerätes eingespannt und mit der Arbeit begonnen. Mehrere Hustenanfälle, die die gesamte Kundin schüttelten, habe ich unfallfrei überstanden und wähnte mich schon in Sicherheit. Ein Glas Wasser lehnte die Kundin ab, bis ich schon bei den Abschlussarbeiten war. Unvermittelt beugte sie sich vor und griff nach meinem rechten Arm. In meiner rechten Hand surrte das motorisierte Handstück, sie zog meinen Arm hoch, das Handstück flog gegen den Schrank und landete immer noch surrend auf dem Boden. „Kann ich ein Glas Wasser haben?“ Natürlich. Ich hob das Handstück auf, legte es zur Desinfektion zur Seite und reichte der Kundin ein Glas Wasser.

„Ich weiß nicht“, bemerkte sie Kopfschüttelnd „Sie sind heute so fahrig, alles schmeißen Sie runter!“

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