Themen statt Köpfe vs. Themen durch Köpfe

Themen statt Köpfe lautete das Motto der Piratenpartei noch als ich eingetreten bin. Nicht die Personen sind wichtig und wir wollen keine Parteiprominenz durch die Ränge schleusen, sondern unsere Themen voran bringen, unsere Ziele umsetzen. Solche Aussagen haben mich begeistert, als ich eingetreten bin und sie tun es noch. Natürlich weiß ich, dass hinter den Themen immer auch Köpfe stecken, die diese Themen voran treiben, die für sie brennen und sich für sie einsetzen, aber sie stehen nicht im Mittelpunkt der Politik.

In letzter Zeit scheint sich das ein Stück weit verkehrt zu haben. „Themen durch Köpfe“ wird immer häufiger als Parole ausgegeben. Die Presse ist es angeblich, die darauf besteht, Inhalte immer mit einzelnen Personen zu verknüpfen und der Wähler fordert Identifikationsobjekte. Sagt man, also sagt vor Allem unser Bundesvorstand. Der sieht sich dabei auch selbst als entsprechenden Kopf und merkt dabei nicht, dass er sich gerade da als denkbar schlechtes Identifikationsobjekt darstellt.

Genau jetzt bleiben uns wohl ziemlich genau zwei Möglichkeiten: wir behalten den derzeitigen Bundesvorstand und kehren endlich zurück zu einem konsequenten “Themen statt Köpfe”. Der Bundesvorstand hat thematisch, inhaltlich nichts zu melden und wir schaffen es aus der Basis heraus, nicht immer irgendwie bekannte Köpfe nach vorne zu schieben, sondern Themen voran zu treiben und diese von den Personen vorstellen zu lassen, die sich damit besonders gut auskennen und die diese besonders voran treiben – unabhängig von Ämtern, Mandaten, Kandidaturen, Posten und Pöstchen. Das würde auch bedeuten, dass der Bundesvorstand sich bei Fragen zu Streitigkeiten innerhalb des Vorstandes nicht mehr äußert und zu Fragen nach Themen an entsprechende fachlich kompetente Gruppen oder Personen verweist. Konsequentes Umsetzen des Ideals Themen statt Köpfe bedeutet auch, die Ansprüche der Presse an prominente Köpfe eben nicht zu erfüllen und neue Standards dagegen zu setzen. Es bedeutet die Politik nach unseren Maßstäben zu verändern – war es nicht das, was wir mal wollten? Es birgt aber auch das Risiko, dass dieses Neue vielleicht von den Wählern nicht akzeptiert wird.

Oder aber wir gehen auf Themen durch Köpfe ein und definieren Köpfe, mit denen wir unsere Themen in den Bundestagswahlkampf einbringen und durch die wir sie vertreten sehen wollen. Dafür hat sich der derzeitige Bundesvorstand aber in jedem Fall disqualifiziert, denn er wird ausschließlich mit seinen Streitereien identifiziert werden und er hat auch bereits ausgiebig bewiesen, dass er nicht in der Lage ist persönliche Befindlichkeiten für die Partei zurück zu stellen. In dem Fall brauchen wir neue, glaubwürdige Köpfe. „Attraktives Führungspersonal“ fordert Forsa-Chef Manfred Güllner im Magazin Stern. Lösen wir das attraktiv mal vom Aussehen, dann kann das bedeuten, dass wir Köpfe brauchen, die charismatisch und überzeugend dazu in der Lage sind, unsere Themen glaubwürdig zu vertreten und sich gleichzeitig nicht gegenseitig öffentlich die Köpfe einschlagen. Das bedeutet allerdings auch, dass wir von unserer ursprünglichen Forderung, Themen voran zu bringen, losgelöst von jedem Personenkult, ein Stück abweichen. Ein ganzes Stück. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, aber wir sollten es bewusst entscheiden und diese Entscheidung nicht wenigen, einzelnen “Köpfen” überlassen.

Themen statt Köpfe oder Themen durch Köpfe – im Moment hat das ganze jedenfalls gründlich Schieflage. Für welche Lösung wir uns entscheiden ist jetzt wirklich eine Grundsatzfrage und die sollten wir beantworten und dann konsequent umsetzen. Ein Meinungsbild mittels Liquid Feedback könnte ein Anfang dazu sein, einen Eindruck vermitteln, wo die Reise hin gehen soll, was die Basis der Partei will.

Tagged , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

2 Antworten zu Themen statt Köpfe vs. Themen durch Köpfe

  1. Bernhard sagt:

    Guten Abend Ylva,

    vielleicht so: Themen durch Köpfe. Jeder Landesverband hat nicht nur helle, sondern auch markante „Köpfe“, die unsere (Landes)Themen pointiert mit Herzblut und kenntnisreich an die Journaille bringen – warum nicht auch die paar ausschließlichen Bundesthemen?

    Gedankenspiel:
    Auf einen Bundesvorstand komplett verzichten. Statt dessen in den Landesverbänden jeweils einen (oder mehrere) Medienjunkie für Funk, Film, Fernsehen, Internet, Totholz wählen, der zu den landesspezifischen Themen zusätzlich ein Bundesthema offensiv nach außen vertritt.

    So hätten wir 16 in ihren Ländern verankerte und vernetzte Beauftragte, die im Prinzip nur noch eine Bundesgeschäftsstelle für den Postkasten und die diversen Verwaltungsmitarbeiter bräuchte – wäre vielleicht in Zukunft sogar virtuell abbildbar.

    Für anstehende besondere Aufgaben werden höchstflexibel zusätzliche Orga-Teams gebildet wie z.B. für Wahlen/ themenspezifische Aktionen, Demos. Flexibilität, die perfekte Organisation des Chaos ist doch die Stärke der digital Vernetzten und im Besonderen der Piraten – oder?

    Auf diese Weise würde die vermaledeite Presse gezwungen, sich auch dezentral zu betätigen; zu den Themen und Köpfen zu kommen. In das thematisch passende Bundesland Niedersachsen z.B. (Datenschutz/ Überwachung = Kattascha)

    16 eigene Typen, die alles über die tollen Themen, Aktionen, Fachleute ihres Bundeslandes wissen o. dieses Wissen und andere Fachköppe kurzfristig der Journaille zur Verfügung stellen. Eine bunte Truppe von Kiefernlatschenträgern bis hin zur DragQueen – die mit dem Rückhalt vieler ihrer langjährigen Parteifreunde im nahen Umkreis über kein Stöckchen springen müssen, wenn sie es nicht wollen.

    Und für besondere Gäste wie Ex-amerikanische, deutschstämmige Außenminister oder ägyptische Despoten wäre immer die passende Gesprächsperson (oder eben mehrere!) verfügbar.

    Und da wir bereits eine zerlegte „Piraten-Spitze“ haben, bräuchten wir sie auch nicht mehr zusammen zu fügen – schlechter kann es ohne jeglichen Bundesvorstand nicht mehr werden (drei ausführliche „Piraten fallen auseinander“ Onlineartikel innerhalb von 24 Stunden..;).

    Nun, heute Nacht wird weitergeträumt: von Vernetzung, von digitalen Kongressen und von Persönlichkeiten, denen das engagierte Eintreten für die Themen ihrer Partei auch Außenstehenden Lust auf Politik macht. Nicht nur im digitalen, sondern auch und besonders im analogen Leben.

    Gute Nacht,
    Bernhard

  2. Pingback:Piraten: Ja, wo sind sie denn? » AutoreNonGrata