Sabine

Seit gestern Abend herrscht Sabine in Deutschland. Also, genau genommen schon früher. Bereits am Freitag meldete die DB, man möge Bahnfahrten von Samstag bis Dienstag besser vermeiden (Folgerichtig strandeten dann auch jede Menge Bahnreisende in den Bahnhöfen). Es gab Unwetterwarnungen. In den meisten Orten bleiben die Schulen heute geschlossen. Der Bahnverkehr steht still. Der Flugverkehr selbstredend ebenfalls. Vor dem Verlassen der Häuser wurde gewarnt. Einschränkungen, die unter diesen Voraussetzungen sinnvoll und folgerichtig erscheinen.

Die meisten Menschen würden unter solchen Voraussetzungen auch nicht fliegen wollen, zu groß die Angst, es könnte etwas passieren. Das ist grundsätzlich vernünftig. Ich muss heute trotzdem arbeiten und nach einigem Überlegen habe ich mich entschlossen, wie immer mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Das war ausgesprochen ungemütlich: es regnet, die Straßen sind nass und die Autos spritzen einen zusätzlich nass, dazu kam unangenehmer Gegenwind und auf den Wege eine Menge herunter gefallene, kleine Äste. Hm, das stimmte jetzt nicht ganz mit dem gezeichneten und von mir erwarteten Katastrophenbild überein.

Wenn sich ein solches Vorkommnis ankündigt, dann sind wir schnell mit Maßnahmen: Zug- und Flugverkehr wird eingestellt, Schulen und Parks geschlossen, offiziell dringende Empfehlungen ausgesprochen, an die sich auch weitgehend gehalten wird, auch wenn es am Ende vielleicht gar nicht ganz so schlimm ist. Das ist gut so!

Wir stehen aber einer viel größeren Katastrophe gegenüber: die Klimakatastrophe kommt. Sie kommt so schnell, dass wir nicht mehr behaupten können, wir würden gar nicht merken, dass sich etwas verändert. In 100 Jahren ist dieser Planet vielleicht nicht mehr bewohnbar, dann gibt es hier vielleicht keine Menschen mehr (Hier werden zwei Szenarien sehr eindrücklich beschrieben)

Naja, in 100 Jahren leben wir sicherlich ohnehin nicht mehr. Auch unsere Kinder vermutlich nicht, weder die, die jetzt deswegen auf die Straße gehen, noch die, die wir jetzt in die Welt setzen. Unsere Enkel, ok. Die könnten es noch miterleben. Oder eben nicht, wie man es nimmt, aber das ist weit weg.

Ich bin jetzt 47 Jahre alt. Ich mache mir ja Hoffnungen, dass ich vielleicht noch 40 Jahre lebe. Unter derzeitigen Bedingungen wäre das absolut denkbar, vielleicht sogar mehr. Aber die Menschheit wird ja nicht in 100 Jahren plötzlich tot umfallen und dann ausgestorben sein. Da werden sich in den nächsten 40 Jahren schon so massive Veränderungen ergeben, dass es fraglich ist, ob meine Hoffnungen unter den Umständen noch realistisch sind. Die Hoffnungen sind gegründet auf die Möglichkeit, mich ausreichend und gesund zu ernähren, eine warme, trockene Wohnung, auf eine gut funktionierende medizinische Ordnung, geordnete und weitgehend friedliche politische Verhältnisse. In 40 Jahren wird vermutlich nichts davon mehr gegeben sein, wenn wir so weiter machen.

Trotz dieser sehr konkreten und massiven Bedrohung, vermisse ich die dringend notwendigen Notfallmaßnahmen, wie sie bei Sabine sofort ergriffen wurden. Maßnahmen im Bereich Verkehr (Flug und Auto, nicht so sehr Bahn), im Bereich Energiewirtschaft, und, am Allerwichtigsten, die dringenden Empfehlungen und damit auch verbundenen unbedingt notwendigen Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Ernährung.

Einer der größten, wenn nicht der größte Klimafaktor, ist die Landwirtschaft und hier insbesondere die Nutztierhaltung. Wir fressen uns buchstäblich in die Klimakatastrophe und ins Grab mit Schinkenbrötchen und Ei zum Frühstück, Currywurst/Pommes zum Mittagessen und Spaghetti Bolognese zum Abendessen. Die Nutztierhaltung verbraucht so viel Land (Weideflächen, aber auch Sojaanbau für Tierfutter), für das Wälder gerodet werden. Insbesondere die Wälder, die wir am dringendsten brauchen, die tropischen Regenwälder.

Unsere Kinder und unsere Enkel werden uns fragen, warum wir nichts gemacht haben. Wir haben das Alles doch gewusst, wir haben es doch kommen sehen. Die Wissenschaftler warnen seit Jahren vor dem Klimawandel. Keiner von uns wird später sagen können, wir hätten es nicht gewusst. „Wäre es so schwer gewesen, kein Fleisch mehr zu essen, keine Milch mehr zu trinken? Ihr hattet doch alles, Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte…“ – Was werden wir dann sagen? „Nö, aber so war es viel bequemer und Fleisch war ja auch lecker und eigentlich war es uns ziemlich egal, ob wir damit die Erde und das Klima zerstören?“

Auf tierische Produkte zu verzichten ist die Maßnahme, mit der jeder einzelne Mensch den größten Beitrag leisten kann. Auf Flüge verzichten: ja, wichtig! Weniger Auto fahren: ja, superwichtig! Tierische Lebensmittel mindestens massiv reduzieren, besser darauf verzichten: unumgänglich!

Wir brauchen die schnellen Sofortmaßnahmen, die massiven Reaktionen durch Politik und Wirtschaft, weil uns eine Katastrophe bevorsteht, in diesem Fall noch viel mehr, als bei Sabine. Aber auch gerade weil sie dort nicht kommen, muss jeder einzelne von uns seinen Teil tun. Kein Fleisch essen, keine tierischen Lebensmittel – dafür Politik und Wirtschaft wachrütteln!

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