Lieber Dirk,

gestern morgen habe ich Dein Blog gelesen. Du fragst Dich, ob die Piratenpartei noch Deine Partei ist. Du kommst dabei zu dem Schluss, dass sie es ist, weil keine andere Partei in der Lage ist, die Themen, die Dir wichtig sind, zu vertreten. Damit hast Du, meine ich, absolut Recht.

Du beklagst aber auch, dass die Themen, die so wichtig sind, nicht in dem Maße im Vordergrund stehen, in dem Du es Dir wünschen würdest. Als Grund dafür siehst Du unter anderem interne Querelen. In diesem Bereich gibt Dir sogar Hannah Beitzer in der Süddeutschen Zeitung Recht, die fragt, wer denn dieser Lauer eigentlich ist, und warum unsere Themen so hinter kindischen Streitereien zurück treten.

Ihr habt ja Recht, alle beide. Interne Querelen sind doof und sie verhindern den unverstellten Blick auf die Themen, die wir dringend angehen sollten, und die sich uns gerade im Moment nur so aufdrängen. Stattdessen stehen immer mehr und immer öfter Dinge im Mittelpunkt, die dort nicht hingehören: persönliche Befindlichkeiten und Getränkeautomaten gehören dazu. Hannah Beitzer gehört dabei zu denen, die darüber berichten. Mehr, ausführlicher und mit deutlich mehr Begeisterung über das Persönliche, als darüber, dass wir klare Positionen zu Themen haben, diese vertreten und nach Kräften voran treiben. Man kann ihr nicht wirklich einen Vorwurf daraus machen: es ist Ihr Job zu schreiben und je mehr Leute einen Artikel lesen wollen, desto besser für sie. Es ist nur allzu menschlich, dass die Leser lieber über Klatsch, Tratsch und persönlichen Streit lesen, als über trockene, politische Arbeit. Deshalb ist es so viel leichter, darüber interessant zu berichten, als über die Entwicklung politischer Positionen, die Schweiß und Zeit kostete, aber kein Popcorn-Potential birgt. Das Problem liegt also bei uns.

Uns, Dir, lieber Dirk und mir, uns kann man einen Vorwurf daraus machen. Wir und viele tausend weitere Piraten schaffen es nicht, dass man unsere Positionen so wahr nimmt, wie wir es uns wünschen. Dabei sollte sich jeder von uns an die eigene Nase fassen: wo hast Du, über Deine Ratsarbeit hinaus, zuletzt unsere Positionen in die Öffentlichkeit getragen, wie Du es selbst von uns allen forderst? Von den wichtigen und richtigen Diskussionen im Stadtrat über kommunalpolitische Themen mal abgesehen: diese drängenden Themen der Bundespolitik, die Drohnen, PRISM und die Vorkommnisse bei der Blockupy-Demo – wann hast Du zuletzt die Initiative ergriffen und aktiv dazu beigetragen, dass unsere Positionen dazu in der Öffentlichkeit wahr genommen werden? Ist es nicht unsere Aufgabe, das personen- und popcornfixierte Rauschen durch klare politische Parolen zu übertönen?

Ja, die Piratenpartei ist vielfältiger geworden. Ich bin erst 2011 dazu gekommen und auch meine Motive waren nicht die reine Lehre der Bürgerrechtspartei, mich zog das BGE in den Bann der Piraten. Erst das Thema, dann mit den Piraten eine Partei, die dazu passte. Es ist das dahinter stehende Menschenbild des mündigen Bürgers, das dazu führt, dass die Piraten beides sein können: die Partei, die für das BGE ist und die Partei, die gegen staatliche Überwachung und für Bürgerrechte eintritt. Die für eine nachhaltige Energiepolitik und für den Schutz der persönlichen Daten ist. Das Problem ist nicht die Vielfalt, solange wir die Gemeinsamkeiten darin sehen. Das Problem ist, dass wir gut sind im totdiskutieren und weniger gut im Aufstehen und Loslegen.

Wenn die, die sich für Kernthemen einsetzen, sich zurück ziehen weil auch andere Themen dazu kommen, dann hilft das kein bisschen, die Kernthemen wieder in den Fokus zu rücken. Das Feld denen zu überlassen, die Popcorn produzieren ist in jedem Fall kontraproduktiv. Lieber Dirk und alle, die so denken wie Du: bitte werdet lauter, damit Ihr mit Euren Themen auch gehört werdet. Reißt uns, die wir wegen anderer Themen dazu gestoßen sind, mit Eurer Begeisterung mit und wir werden das gleiche mit unseren Themen versuchen. Beleidigter Rückzug steht uns nicht, liebe Piraten, uns allen nicht!

Deine Ylva

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