Earth day

Vor dem Fenster im Arbeitszimmer steht ein Flieder. Gerade jetzt schickt er sich wieder an zu blühen. In ein paar Tagen wird es soweit sein. Der Flieder verzaubert mich jedes Jahr.

Am Stall ist der Frühling eingezogen. Die Decken sind weggepackt, die Pferde verlieren das Winterfell in büscheln und bald beginnt schon die Weidesaison. Der Stall wird nicht mehr lange bleiben, das Gebiet, auf dem er steht, ist seit Jahren „Bauerwartungsland“. Langsam werden die Pläne für die Bebauung konkret. Für einen kleinen Pferdestall in privater Hand mit Weiden ist dort dann kein Platz mehr. Das Grundstück wird gebraucht, für mehr Häuser. Reihenhäuser mit jeweils einem handtuchgroßen Garten werden dann dort stehen, wo jetzt noch Pferde unter teils schon recht alten Bäumen dösen, Zaunkönige im Stall ein Nest bauen und Bienen und Hummeln summen.

„Aber wir brauchen den Wohnraum!“ – Zugegeben, ein Pferdestall in der Stadt, das ist exotisch. Es herrscht Wohnungsnot, die Mieten werden auch immer teuerer, da muss bebaut werden, was bebaut werden kann. Gegen die explodierenden Mieten helfen Reihenhäuser allerdings kein Stück weit, gegen Wohnungsnot auch nur sehr bedingt.

Wir muten der Erde ganz schön viel zu. Wir bauen und pflastern sie zu, lassen unseren Müll überall liegen (oder kippen ihn ins Meer) und verbrauchen ihre Rohstoffe in rasendem Tempo. Öl, Gas, Kohle, aber auch Holz – was auch immer die Natur uns bietet, raffen wir mit vollen Armen an uns, verbrennen es, pusten die entstehenden Abgase in die Atmosphäre und haben uns über viele Jahrtausende kein bisschen darum gekümmert, was das bedeuten wird. Saubere Luft und klares Wasser sind für uns genauso selbstverständlich, wie die Tatsache, dass die Natur all das, was wir da so auf ihr und mit ihr anrichten, schon irgendwie ausgleichen und aufräumen wird.

Lange haben wir nicht wahr genommen, dass es so nicht weiter geht. Inzwischen sind die Anzeichen aber so deutlich, dass die meisten Menschen und sogar die meisten Politiker die Augen nicht mehr davor verschließen können und so gibt es zumindest erste Schritte und weitere Planungen, um das Schlimmste so weit möglich noch zu verhindern. Corona und der Krieg in der Ukraine drohen diese Schritte in weiten Teilen wieder zunichte zu machen. Der Mensch ist nicht dafür gebaut, langfristig zu denken, er sieht nur, was vor ihm liegt. Ein Schritt nach dem anderen, eine Krise nach der anderen – das wird in diesem Fall nicht funktionieren. Dafür stecken wir in der Klimakrise schon viel zu tief drin.

„Umweltschutz muss man sich leisten können“? Was wir uns schon lange nicht mehr leisten können, ist zu wenig Umweltschutz, zu wenig Klimaschutz, zu viel Raubbau an der Erde. Die Kosten dafür sind jetzt schon extrem hoch und sie steigen immer weiter. Viel zu lange haben wir es uns geleistet, wegzuschauen.

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